lättle | Ausgabe 11 | November/Dezember 2016 TITELTHEMA: KLEIDER MACHEN LEUTE 12 Johanna Schmidt, 20, Holzkirchen, 13 Mathilde Sauter, Hutmacherin aus Leidenschaft. Auszubildende zur Modeschneiderin bei s.Oliver > Seit dem 1. September macht Johanna Schmidt aus Holzkirchen eine Ausbildung zur Modeschneiderin bei s.Oliver in Rottendorf in der Nähe von Würzburg. „Für die Ausbildung zur Modeschneiderin habe ich mich entschieden, weil ich mich schon immer für Mode und Nähen interessiert habe“, erzählt Johanna. Begonnen hat alles mit einer 30 Jahre alten Nähmaschine der Marke Bernina, die Johannas Mama für ihre damals 15-jährige Tochter besorgte. „Das ein oder andere habe ich mir dann von meiner Mama und meiner Oma abgeschaut und habe dann begonnen meine ersten Stücke zu nähen.“ Genau das sei auch das, was sie an diesem Beruf so fasziniert, man ist live dabei, wenn ein Stück wächst. Trotz ihrem Spaß am Nähen, hat sich Johanna zuerst nicht dafür entschieden, eine Ausbildung zur Schneiderin zu machen. „Ich habe erst eine Ausbildung zur Kauffrau für Dialogmarketing bei HAMA gemacht, weil ich damals einfach noch nicht selbstbewusst genug war, um mich zur Schneiderin ausbilden zu lassen“, sagt Johanna über ihre Entscheidung. Bereut hat sie diese allerdings nicht: „Bei HAMA habe ich eine tolle Ausbildung bekommen, von der ich noch immer profitieren kann. Viele Dinge, die andere Azubis erst lernen müssen, sind für mich bereits selbstverständlich“. Im letzten Jahr hat sie sich dann aber dazu entschieden, ihrer Leidenschaft nachzugehen und noch eine zweite Ausbildung als Modeschneiderin in Angriff zu nehmen. „Ich habe mich eigentlich überall beworben. In der Region sind Ausbildungsplätze zur Modeschneiderin leider Mangelware. Als ich davon hörte, dass auch s.Oliver ausbildet, habe ich mich auch dort beworben und wurde genommen.“ Die Freude darüber war natürlich groß. Seit 1. September 2016 macht Johanna nun ihre Ausbildung zur Modeschneiderin. Verschiedene „Ausbildungs-Paten“ helfen ihr dabei, die verschiedenen Nähtechniken zu erlernen. Noch üben Johanna und die anderen Auszubildenden an Modellen. An die richtigen Kollektionsstücke dürfen die Azubis dann erst im 3. Lehrjahr. „Am liebsten hätte ich natürlich gleich mit dem ersten Kleidungsstück losgelegt. Aber es ist einfach besser alles von Grund auf zu lernen und zu beherrschen“, sagt Johanna über ihre Ausbildung. | Mathilde Sauter, 77, Donauwörth, ehemalige Modistin und Pelznäherin Ihr Hobby zum Beruf gemacht, hat die 20-jährige Johanna aus Holzkirchen. Bild: privat > Mathilde Sauter erlernte als junge Frau den Beruf der Pelznäherin und bildete sich später als Putzmacherin, heute Modistin, weiter. Bei einer Münchner Firma lernte sie, Schnitte zu erstellen und Hutformen selbst herzustellen, „Zu unseren Kunden zählten die Reichen und Schönen“, erzählt Sauter. „Filmschauspieler, gut situierte Damen aus London, die zum Shopping nach München flogen, sogar Kaiserin Soraya und ihre Mutter kauften dort ein. Es machte richtig Spaß, die Hüte an die Nobel-Hotels zu liefern.“ Als Mathilde Sauter dann ihren Mann Wilhelm heiratete, stieg sie in sein Hut- und Pelzgeschäft in der Donauwörther Reichsstraße ein. Mathilde Sauter hatte sogar ihre eigene Pelzhut-Kollektion, die Vertreter für sie verkauften. 1995 schloss die Familie das Geschäft allerdings. Die mittlerweile 77-Jährige arbeitet aber immer noch gerne mit Hüten, jedoch nur noch ehrenamtlich. Mit zehn anderen Frauen arbeitet sie in der Nähstube für den Schwäbischwerder Kindertag. Rund ein Viertel aller 1200 Kostüme kommen nach dem Kindertag mit eingerissenen Nähten an den Ärmeln oder zerschlissenen Rocksäumen zurück. Auch die 800 Hüte haben oft Dellen oder sind schmutzig. Viele der Hüte hat Mathilde Sauter damals in ihrem Geschäft noch selbst hergestellt. Je nach Bedarf reinigt sie die Kopfbedeckungen und mit einem elektrischen Hutweiter passt sie die Hüte der jeweiligen Größe an. Mit Bügeleisen und Dämpfer werden Beulen und Delle ausgebessert. Gerade ist Mathilde Sauter dabei, die Mützen der Trommler aufzufrischen. Jeder Hut bekommt eine neue Feder aufgenäht und weil die vielen Kinder, die die Hüte jährlich bei Historienspiel und beim historischen Umzug tragen, alle unterschiedliche Kopfgrößen haben, hat Mathilde Sauter Gummibänder eingenäht, um die Größen anzupassen. Drei bis vier Stunden arbeitet Mathilde Sauter dann an so einem Hut. Um alle Hüte aufzufrischen braucht sie fast das ganze Jahr, in dem sie einmal in der Woche in der Nähstube arbeitet. Hüte sind ihre Leidenschaft geblieben, auch wenn es heute aus Altersgründen nur noch ein Hobby sein kann. | Strenesse – Mode made in Nördlingen Geschichte, Höhepunkte und ein Wirtschaftskrimi bei der größten Modefirma im Landkreis > 1949 gründete die Familie Strehle die Firma Wohlfahrt & Co. in Nördlingen. Dort wurden gewebte Stoffe zu Shorts, Jankern und Mänteln verarbeitet. Im Laufe der Zeit konzentrierte man sich bei der Familie Strehle jedoch auf Damenoberbekleidung. Seit 1965 sitzt die Fima am heutigen Hauptsitz am Eichendorffplatz in Nördlingen. 1969 kam zum ersten Mal der Name Strenesse ins Spiel. Eine neue Produktlinie wurde so genannt. Mitte der 70er Jahre bekam dann auch die Firma diesen Namen. Das Wort ist eine Kombination aus Strehle und Jeunesse, der französische Begriff für Jugend. Damals hatte Gabriele Strehle die kreative Leitung bei Strenesse übernommen. Sie nahm Anfang der 70er Jahre ihre Tätigkeit in der Firma auf – 1985 heiratete sie den Inhaber und Geschäftsführer Gerd Strehle. Zu dieser Zeit hatte Strenesse bereits Vertretungen in Deutschland, Benelux, Schweiz, Österreich, Großbritannien und Irland. Die Produktion erfolgte zu 50 Prozent in Nördlingen und zu 50 Prozent im Ausland. Die großen Jahre bei Strenesse In den 90er und Anfang der 2000er Jahren war die Modefirma aus Nördlingen auf ihrem Höhepunkt. 1995 präsentierte Gabriele Strehle ihre Kollektion das erste Mal auf der Fashion Show in Mailand. Außerdem wurden erstmals Schuhe und Taschen mit in die Kollektion aufgenommen. Und dann ging alles ganz schnell: 2001 ein Design für die Lufthansa, 2002 die erste Herrenkollektion bei der Mailänder Modenschau, 2004 wurden Claudia Schiffer und Boris Becker Markenbotschafter, 2005 die erste Runway Show in New York. 2006 kam Strenesse schließlich dann zum Fußball – oder der Fußball zu Strenesse. Seit der Weltmeisterschaft in Deutschland kleidete Gabriele Strehle Jürgen Klinsmann, Jogi Löw, Bastian Schweinsteiger, Michael Ballack und Co. mit Anzügen, Trenchcoats und Cardigans außerhalb des Spielfelds ein. Die Mannschaft trug geradlinige und schnörkellose Mode. Muster und Farben setzte Strehle nur dezent ein. Mit der Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika war der „blaue Glückspullover“ von Jogi Löw in feinem Baby-Kaschmir komplett ausverkauft. Alle wollten den V-Ausschnitt-Pullover haben. Löw wird nicht zu Unrecht „Stilikone“ des deutschen Fußballs genannt. Insolvenzverfahren – Hoffen und Bangen 2012 trennten sich Gabriele und Gerd Strehle, sie stieg aus der Firma aus. Luca Strehle, Sohn von Gerd Strehle aus erster Ehe, wurde CEO. Er war auf der Suche nach einem Investor, der dem Modeunternehmen weiteren Wachstum beschaffen sollte. Er wollte die bestehenden Linien STRENES- SE Gabriele Strehle, STRENESSE Blue und STRE- NESSE Men „neu ordnen“ hieß es damals. Die Strenesse AG betrieb zu dieser Zeit 13 eigene Shops in Deutschland und zwei Partnershops in Italien. Showrooms unterhielt das Unternehmen in München, Düsseldorf, Mailand, New York und Tokio. Die Mode wurde damals wie heute hauptsächlich- Alle Bilder auf dieser Seite: Strenesse in Osteuropa hergestellt, die Stoffe stammen aus Italien. In Nördlingen arbeiteten circa 200 Mitarbeiter, insgesamt waren ungefähr 400 Beschäftigte bei Strenesse angestellt. Im April 2014 dann der Schock. Strenesse stellte beim Amtsgericht Nördlingen einen Antrag auf Insolvenz. 2016 ein kurzes Aufatmen. Anfang August kündigte die holländische Maeg Holding an, die Firma zu kaufen und die Marke Strenesse unter einer neu gegründeten GmbH zu führen. Doch der Deal ist geplatzt. Die wohlhabende polnische Familie Kucharczyk, die hinter der Maeg Holding steckt, teilte Anfang September mit, dass der Kaufvertrag nicht zustande kommt. Die Angaben, die über die wirtschaftliche Situation von Strenesse gegeben wurden, sollen falsch gewesen sein. Der Investitionsbedarf sei viel höher als gedacht. Die Geschäfte laufen trotzdem weiter, die 240 Mitarbeiter in Nördlingen arbeiten an der nächsten Kollektion. Die Zukunft für Strenesse ist ungewiss. Die Geschäfte laufen über den Insolvenzverwalter Dr. Jörg Nerlich. Gerd Strehle hat zwar noch die Aktienmehrheit, allerdings keinen Einfluss mehr auf das Verfahren. Gabriele Strehle äußert sich nicht zu Strenesse, Jogi Löw trägt Hugo Boss. | Maria Lutz, 25, Nähermemmingen, Haarbanddesignerin Bild: privat Die Herbst/Winter Kollektion 2016 > Irgendwann im Frühjahr 2015 suchte Maria Lutz nach einer Möglichkeit, ihre sonst so langweilige Frisur aufzupeppen. Ein Haarband war die Lösung! Das gekaufte Band verrutschte jedoch immer wieder auf dem Kopf. Not macht bekanntlich erfinderisch und Maria Lutz nähte sich ihr Haarband schließlich selbst. Ihre Mutter Inge ist Schneiderin und hatte im heimischen Nähzimmer in Nähermemmingen das notwendige Handwerkszeug parat. Mittlerweile hat die 25-Jährige 350 Haarbänder designt. „Viele Wochenenden und Nächte gingen dafür schon drauf“, erzählt Maria Lutz. In ihrem Online-Shop und bei Verkaufspartys vertreibt sie die Haaraccessoires. Vom Einsteigermodell mit schlichtem Leder über Highlighter, die am Band befestigt werden können, bis hin zu aufwändigen Blumenkränzen – von der Idee bis zur Herstellung stammt alles aus der Hand von Maria Lutz selbst. „Die Schmuckbänder lassen sich zu vielen Looks kombinieren, passen zu allen Stilen und runden ein Outfit erst richtig ab“, sagt Maria. Das Problem von damals ist auch gelöst: Maria Lutz verwendet für die Bänder Klettpunkte, die sich am Haar festsetzen. Mit der richtigen Technik, die sie in Youtube Videos erklärt, können die Schmuckbänder ohne Schmerzen und Knoten ins Haar eingearbeitet und entfernt werden. | Die Haarbänder von Maria Lutz passen zu vielen Looks und Outfits. > Die Looks der Kollektion Herbst/Winter 2016 von Strenesse sind von der Arbeit der Künstlerin Sonia Delaunay inspiriert ... Ihr Umgang mit Farben, ihre Muster und ihr Stoff-Design spiegeln sich in der Kollektion wider. Liebhaber von Minimalismus finden sich in den cleanen und geraden Schnitten der Modelinie wieder. Der Winter ist bei Strenesse Off-white, Chalk, Schwarz. Diese Trendfarben werden mit Emerald, Saphir, Petrol und Rot ergänzt. Die Kollektion umfasst weite Hosen, Faltenröcke, Kaschmir-Pullover, Graphik-Tweed und Etui Kleider aus Baumwoll- Jacquard. |
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