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blaettle 14 - Mai/Juni 2017

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versichert, verarztet & versorgt - Gesundheitsstandort Donau-Ries

lättle | Ausgabe

lättle | Ausgabe 14 | Mai/Juni 2017 TITELTHEMA: GESUNDHEITSSTANDORT DONAU-RIES 14 Bild: pixabay Bild: pixabay 15 Duales System Deutschland: Die gesetzliche und die private Krankenversicherung > In Deutschland gibt es zwei Versicherungsmodelle, die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die private Krankenversicherung (PKV). Rund 90 Prozent aller Versicherten sind über die GKV versichert, sei es als Angestellte über den Arbeitgeber oder in der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung. Über die PKV sind in Deutschland die Beamten versichert, aber auch Menschen, mit höherem Einkommen. Kritiker finden an beiden Versicherungsarten Vor- und Nachteile, manche finden das zweigleisige System komplett überholt. Im Landkreis Donau-Ries sind die meisten Menschen über die GKV versichert und davon wiederum die meisten beim größten gesetzlichen Krankenversicherungsanbieter in Deutschland, der AOK. Aktuell zählt die AOK in Donau-Ries rund 70 000 Versicherte. Ich habe mit dem Geschäftsstellenleiter in Donauwörth, Johannes Hiller, gesprochen: Donau-Ries-Aktuell: Wie haben sich in den letzten Jahrzehnten die Bedürfnisse der Versicherten verändert? Welche Anpassungen im Leistungskatalog oder in der Pflege stehen in Zukunft an? Johannes Hiller: Das Bedürfnis, möglichst lange gesund zu bleiben ist größer geworden und damit auch die Bereitschaft, etwas für die Gesundheit zu tun. Unser Leistungskatalog wird regelmäßig an die Bedürfnisse der Versicherten angepasst. Im Bereich der Pflege wurden z. B. den körperlichen Gebrechen nun auch die geistig-seelischen Einschränkungen gleichgestellt. DRA: Die meisten gesetzlich Versicherten wissen nicht, was die Leistungen, die sie in Anspruch nehmen kosten – im Gegensatz zur privaten Krankenversicherung. Viele sehen nur, welche Leistungen ihre gesetzliche Kasse nicht übernimmt. Warum ist das so und sollte man es nicht ändern? JH: Die gesetzliche Krankenversicherung arbeitet nach dem Sachleistungsverfahren, was bedeutet, dass die Krankenkassen Leistungen direkt an den behandelnden Arzt, das Krankenhaus, den Therapeuten, usw. bezahlen. So muss sich der Patient nicht vorher um die Finanzierung kümmern, wie es in manch anderen Ländern. Jeder Patient kann sich die Kosten für seine Behandlung auf Wunsch für einen Unkostenbeitrag von einem Euro vom Arzt auflisten lassen. Auch von der Krankenkasse können Versicherte eine Jahresübersicht der bezahlten Kosten anfordern. Im Prinzip kann sich also jeder über die Kosten informieren – nur tun es meiner Erfahrung nach relativ wenig Menschen. DRA: Ich frage stellvertretend einfach mal nach: Was kostet zum Beispiel eine durchschnittliche Blinddarmoder eine standardmäßige Bypass-OP – wenn man mal ohne Komplikationen ausgeht? JH: Eine Blinddarm-OP kostet 2 804 Euro und eine Bypass-OP liegt bei 18 123 Euro. Allerdings kommt bei der Herz-Operation noch eine anschließende Reha-Maßnahme von zusätzlich 2 400 Euro hinzu. DRA: Bei weitem die meisten Versicherten sind gesetzlich versichert. Dennoch hält sich hartnäckig das Vorurteil, privat Versicherte hätten die bessere Versorgung oder auch die kürzeren Wartezeiten. Was setzen Sie dagegen? JH: Die gesetzlich Versicherten haben die breitere Versorgung. Sie erhalten in vielen Bereichen umfassendere Leistungen als privat Versicherte, z. B. bei der Vorsorge, bei der Rehabilitation und teilweise auch bei Hilfsmitteln. Bei den Wartezeiten bestehen bei den meisten Praxen keine nennenswerten Unterschiede. Sofern uns Einzelfälle gemeldet werden, sprechen wir die Praxisinhaber darauf an. Eklatante Verstöße greift die Kassenärztliche Vereinigung auf und leitet Disziplinarmaßnahmen ein, die im Extremfall bis zum Entzug der Zulassung als Vertragsarzt gehen können. DRA: Bei der gesetzlichen Krankenversicherung wird gerne kritisiert, dass genau zu dem Zeitpunkt, wenn der Mensch älter wird und in Rente geht, seine Beiträge sinken, während er meist mehr Leistungen in Anspruch nimmt. Es gilt also der sogenannte Generationenvertrag: Die Jüngeren zahlen für die Älteren. Ist dies im Hinblick auf eine alternde Gesellschaft noch zeitgemäß? Oder wäre hier auch aus Ihrer Sicht eine Reform notwendig? JH: Der Generationenvertrag und das Solidaritätsprinzip bewähren sich seit über 130 Jahren. Es gilt auch nicht nur jung für alt sondern auch gesund für krank und arm für reich. Der Vorteil besteht darin, dass jeder Versicherte im Umlageverfahren prozentual gleich viel von seinem Einkommen als Solidarbeitrag einbringt und jeder Versicherte Anspruch auf den gesamten Leistungskatalog hat. Dieses Umlagesystem ist zudem krisensicher. Einen Reformbedarf sehe ich allerdings doch: Seit 2005 werden Arbeitnehmer stärker an der Umlage beteiligt als Arbeitgeber. Diese höhere Belastung wächst seit 2011, da der Finanzierungsanteil der Arbeitgeber bei 7,3 Prozentpunkten festgeschrieben wurde. Die über die allgemeine Lohnentwicklung hinausgehenden Ausgabenzuwächse durch den medizinisch-technischen Fortschritt und die älter werdende Gesellschaft haben derzeit einseitig die Versicherten zu finanzieren. Hier besteht meiner Meinung nach ein Reformbedarf, um die Finanzierungslast wieder gleichmäßiger auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen. Bei den privaten Krankenversicherungen gilt das risikoreichere Kapitaldeckungsverfahren, das gerade in der aktuellen Niedrigzinsphase auf die Probe gestellt wird. Auch wird für jeden Versicherten das Krankheitsrisiko eingestuft und demnach wird er finanziell belastet. Wer ein höheres Krankheitsrisiko mitbringt, zahlt auch mehr. DRA: Wie gut sind wir auf die wachsenden Anforderungen der älteren Patienten vorbereitet? Es gibt gerade im ländlichen Raum immer weniger Hausärzte direkt vor Ort, die Fahrwege sind von manchen Gemeinden aus recht weit. Wie bekommen wir die älteren und weniger mobilen Patienten zum Hausarzt? Welche Lösungen bietet die AOK ihren Versicherten? JH: Aktuell sind wir im Landkreis noch gut mit Hausärzten versorgt, es kamen in den letzten zwei Jahren sogar 13 neue Hausärzte nach Donau-Ries. Die Menschen sind heute bis ins höhere Alter mobil, sie kommen also noch gut zur Praxis. Trotzdem gibt es Maßnahmen: Rüstige Senioren bieten z. B. ehrenamtlich Fahrdienste für weniger mobile Bürger an. Mancherorts bewährt sich das System der Ruf-Busse. Die AOK hat für Patientenfahrten mit Taxi- und Mietwagenunternehmen vor Ort günstige Verträge geschlossen. Für bestimmte Fahrten zur ambulanten Behandlung können die Kosten übernommen werden, z. B. für Strahlen- oder Chemo-Behandlung, Dialyse oder bei außergewöhnlichen Geh- oder Sehbehinderungen und ab dem Pflegegrad 4. DRA: Ein großes Thema ist heute schon die Prävention. Ist hier ein Angebotsausbau seitens der AOK geplant? JH: Schon lange nennen wir von der AOK uns offiziell nicht mehr Kranken- sondern Gesundheitskasse und unser Motto ist: Vorbeugen ist besser als heilen. Wir haben Angebote für gesunde Ernährung, richtige Bewegung und effektive Entspannung. Wir werden zukünftig noch stärker in die Lebenswelten unserer Kunden gehen und entsprechende Maßnahmen in Kindergärten, Schulen und Betrieben anbieten. Das Augenmerk wird künftig noch stärker auf die Lebensgewohnheiten gerichtet werden, gerade den Ursachen vieler Zivilisationskrankheiten wollen wir entgegenwirken. DRA: Laut Zukunftsforschung wird die Gesundheit für den Menschen immer wichtiger. Was sind die Herausforderungen, die auf die AOK in diesem Zusammenhang zukommen? JH: Im Wesentlichen sind das die Weiterentwicklung der Präventionsangebote sowie der Ausbau der Versorgungsqualität und die Finanzierung des medizinisch-technischen Fortschritts. Außerdem ist es gerade im Hinblick auf unseren Landkreis wichtig, dass die Versicherten die von uns angebotenen Leistungen auch vor Ort in Anspruch nehmen können. Flächendeckende Behandlungsangebote sind gerade im ländlichen Raum keine Selbstverständlichkeit, daher kümmern wir uns im Landkreis ständig um die Verbesserung der Versorgungsstruktur. Dies tun wir in enger Zusammenarbeit mit den Ärzten, den Kliniken und in den Entscheidungsgremien sowie auf der politischen Ebene. | Gesundheit & Pflege im Alter Wie wichtig sind mobile Pflegedienste? > Das Thema Gesundheit und Pflege im Alter ist jetzt schon sehr wichtig in unserer Gesellschaft und wird in Zukunft einen noch höheren Stellenwert haben. Unerlässlich ist hierbei – wie auch bei vielen anderen Angeboten rund um die Gesundheit – die Arbeit der Wohlfahrtsverbände. Ob BRK, Caritas, Diakonie sowie zahlreiche weitere Verbände und Institutionen, die Mitarbeiter und Helfer dieser Dienste sind unermüdlich auch in unserem Landkreis im Einsatz: Sei es im Rettungsdienst, bei Krankentransporten, in der mobilen Pflege, mit Essen auf Rädern und zahlreichen weiteren Angeboten. Ich habe mit Anita Riedelsheimer vom Caritas Pflegedienst in Monheim über die mobile Altenpflege gesprochen: Wie funktioniert der mobile Pflegedienst? Der Caritas Pflegedienst in Monheim ist mit 90 zu betreuenden Patienten eine mittelgroße Station. „Das ist von der Größe her gut überschaubar, da hat man noch den persönlichen Kontakt, kann sich Einzelheiten und Eigenheiten merken“, sagt Pflegedienstleiterin Anita Riedelsheimer. Mit einer Fläche von Buchdorf bis Altendorf in Franken versorgt die Station ein relativ großes Gebiet. „Da bleibt schon viel Zeit auf der Strecke, aber wir bemühen uns, die Touren so zu planen, dass wir möglichst wenig Zeitverlust haben. Wir fahren im Früh- und im Spätdienst, manche Patienten wie z. B. Diabetiker müssen dabei drei Mal am Tag besucht werden, weil sie zu bestimmten Zeiten ihre Spritzen benötigen. Morgens erledigen wir oft die Grundpflege wie Waschen, Duschen oder Baden, Hautpflege, Hilfe beim Ankleiden und eventuell auch beim Frühstück. Bei manchen Patienten müssen Verbände gewechselt werden oder OP-Wunden benötigen eine spezielle Nachsorge. Wir legen auch Kompressionsstrümpfe an oder verabreichen Augentropfen. Bei einigen Patienten machen wir auch Mobilisationsübungen. Gerade nach einem Schlaganfall treten zeitweise oder bleibende Lähmungen auf und wir helfen dabei, möglichst viel Beweglichkeit zurückzuerlangen. Das können ganz banale Dinge sein wie ein Glas Wasser halten oder die Knöpfe am Hemd schließen. Am Abend machen wir dann die Abendpflege vor der Bettzeit. Auch die Ernährungshilfe über Venenports wird am Abend angelegt, das ist relativ zeitaufwendig“, erklärt die Pflegedienstleiterin. In der mobilen Altenpflege hat sich in den letzen 20 bis 30 Jahren viel getan. Früher war es mit Blutdruck messen und Unterstützung beim An- und Auskleiden oder Essen oft getan, heute ist die Pflege sehr viel umfangreicher und auch medizinischer geworden: Beatmungsgeräte, Heimdialyse, Pflege von Wunden und OP-Nachsorge sind nur einige der Aufgaben. „Die Patienten werden heute viel früher wieder aus dem Krankenhaus entlassen, da haben wir natürlich mehr Arbeit mit der Nachsorge. Außerdem schreitet der medizinische Fortschritt immer weiter voran, immer mehr Behandlungen können nun auch zu Hause durchgeführt werden. Hinzu kommt, dass die Patienten immer älter werden. Früher war ein 90jähriger alt, heute ist das ein normales Alter“, erzählt Anita Riedelsheimer. Die meisten Menschen möchten im Alter in der häuslichen Umgebung bleiben, doch die Versorgung ist nicht immer einfach, gerade wenn keine oder kaum Angehörige (mehr) da sind oder die Angehörigen arbeiten müssen. „Viele der älteren Menschen wollen noch möglichst viel selbst machen und nur wenig Hilfe annehmen. Das verstehe ich einerseits, andererseits überschätzen sie sich dabei auch oft und dann kommt es zu Stürzen mit teils schwerwiegenden Folgen. Hier ist von unserer Seite größtes Feingefühl gefragt, im Umgang mit den Patienten und den Angehörigen. Im Krankenhaus oder im Heim ist der Patient zu Gast und fügt sich in die Gegebenheiten. Werden die Patienten aber zu Hause betreut, dann sind wir die Gäste und müssen abwägen, wie sehr wir uns einmischen dürfen. Das fällt nicht immer leicht und die Grenzen zwischen alleine zurechtkommen und Verwahrlosung sind fließend. Besonders problematisch wird es wenn wir merken, dass die Patienten andere oder sich selbst zunehmend gefährden. Oder auch wenn wir merken, dass sich Angehörige mit der Pflege übernehmen oder überanstrengen. Da sind viele Gespräche nötig und jeder Fall ist individuell, es gibt kein Schema F“, weiß die Pflegedienstleiterin. Die Ansprüche an die Pflege wachsen aber von Generation zu Generation. Gaben sich die Menschen, die die Kriegsund Nachkriegszeit noch erlebt haben mit relativ wenig zufrieden, so sind die Ansprüche späterer Patienten- und auch Angehörigengenerationen wesentlich höher. „Das Problem ist dann oft die Finanzierung. Die Krankenkassen nehmen in der Pflegekasse ihre Einstufungen vor, darin sind dann bestimmte Leistungen enthalten, andere nicht. Das ist nicht immer leicht zu kommunizieren. Wir von der Caritas müssen uns ja auch irgendwie finanzieren und uns danach richten, was die Kassen erstatten. Hinzu kommt, dass wir neben den Pflegeleistungen ja auch uns selbst finanzieren müssen: Unsere Autos brauchen Wartung, unsere Mitarbeiter brauchen Fortbildungen, usw.“, erklärt Anita Riedelsheimer. Um Pflegekosten zu senken beschäftigen viele Patienten zunehmend auch private Pflegerinnen, die meist aus Osteuropa zu uns kommen. Diese sind oft rund um die Uhr für die Patienten da, meist für eine geringere Entlohnung. „Einen solchen rundum Versorgungsdienst können wir natürlich nicht leisten. Ich verstehe jeden, der eine solche Kraft einstellt und ich habe auch nichts dagegen, dennoch gibt es immer ein ‚einerseits – andererseits’. Das ‚andererseits’ liegt oft in der Ausbildung dieser Kräfte, die Standards können hier erheblich schwanken und das kann problematisch werden“, so Riedelsheimer. |